Es sind kleine Gesten, die Hannah Biedermann und Philip Schlomm in “Schwester“ brauchen, um das wunderbare Buch von Jon Fosse auf der Bühne zu erzählen. Aus zwei Perspektiven entwickelt der norwegische Autor seine Geschichte, einmal aus der eines neugierigen vierjährigen Buben, der mit seiner dreijährigen Schwester auf “verbotenen Pfaden“ wandelt, zum anderen aus der der behütenden Perspektive der Mutter (der Vater spielt nur eine Nebenrolle). Mit minimalen Mitteln verwandeln sich die beiden Schauspieler in ihre Rollen, aber sie tun nie so als ob: Sie performen.
Im Bühnenbild von Tina Jücker “ ein Tanzboden, im Hintergrund ein großes Trapez, das verschiedenfarbig angestrahlt wird, ein großes Dreieck, auf das sich Bilder projizieren lassen, vorne zwei Stühle und daneben, bzw. davor zwei Mikros auf Ständern “ entwickelt sich in der Regie von Claus Overkamp ein behutsamer, z.T. entschleunigender Rhythmus. Auch hier entstehen durch minimale Mittel große Wirkungen. Eine wichtige Rolle spielt das Live-Video, in dem ein kleiner Topf mit einem Grasbüschel zu einem Urwald wird. Ebenso ist der Einsatz von Mikrofonen “ zumeist der Erwachsenenperspektive vorbehalten “ genau getimt. Darüber hinaus legt Overkamp in der Arbeit mit den beiden Schauspielern großen Wert auf eine freundlich-“warme“ Spielweise, die sich liebevoll dem jungen Publikum zuwendet.
Wo Jon Fosse seine Erzählungen mit Zwischentiteln gliedert, entwickelt die Regie kleine Choregrafien, die sich in ihren Ausformungen an kindlichen Spielen orientieren und der Aufführung eine ganz eigene Dynamik geben. Ansonsten hält sich das Team eng an die Vorlage von Fosse. “Schwester“ ist ein Beispiel wie sich Erzählen und Performen miteinander verbinden, unterstützt durch einen genau kalkulierten Technikeinsatz “ und den Persönlichkeiten von Hannah Biedermann und Philip Schlomm.
Manfred Jahnke